[Vorbemerkung: Ich werde diese Rezension spoilerfrei halten, so daß sie auch von denjenigen problemlos gelesen werden kann, die das Buch noch nicht gelesen haben und z.B. auf die deutsche Ausgabe (die am 27. Oktober erscheint) warten. Ich schreibe sie allerdings so, daß alle wichtigen Elemente der bisherigen sechs Bände als bekannt und unspoilbar vorausgesetzt werden. Falls also jemand (aus welchen Gründen auch immer) den sechsten Band noch nicht gelesen haben sollte und es tatsächlich geschafft hat, bisher allen Spoilern dazu aus dem Weg zu gehen, sollte derjenige auch diese Rezension meiden.]
Der siebte und letzte Band der beliebten Reihe um den mittlerweile vielleicht bekanntesten Zauberer der Welt (gibt es dazu Studien?) ist gestern erschienen. Der Hype dürfte damit noch einmal ein neues Maximum erreichen, diesmal vermutlich ein absolutes, und dann in den nächsten paar Jahren mit den beiden verbleibenden Filmen noch zweimal kurz aufflackern, bevor er sich für immer zur Ruhe legt.
In der aktuellen Zeit findet sich ein Artikel, der das Phänomen Harry Potter als eine der schönsten Formen der sonst immer nur so häßlichen auftretenden Globalisierung benennt. Dem kann ich mich nur anschließen und es wäre schön, wenn wir irgendwann (hoffentlich bald) einen Punkt erreichen, an dem Globalisierung nicht mehr (nur) einen alles niederwalzenden Kapitalismus beschreibt, sondern eben auch die Möglichkeit einer (kulturellen) Weltgemeinschaft, die uns vor allem das Internet in den letzten Jahren beschert hat.
Doch zurück zum Buch: Ja ich war verrückt genug, mich um 1.00 Uhr nachts in eine Buchhandlung zu begeben (die Mayersche in Bochum, wo ich mich mit einem Freund und frenetischen Potter-Fan traf) und im Gegensatz zu der mauen Veranstaltung, die ich bei der Veröffentlichung der deutschen Ausgabe des sechsten Bandes erlebt habe, gab es diesmal tatsächlich einen ganz ansehnlichen Mob von Freaks (ein Wort, das ich seit einiger Zeit eher als Kompliment und mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen verwende).
Wenn ich die Verkäuferin richtig verstanden habe (die ich auf meinem Heimweg zufällig dabei belauschte, wie sie der Zentrale berichtete), waren es etwas mehr als zweihundert Fans, die sich dort eingefunden hatten. Da Schlange stehen und Vordrängeln nicht meine Stärken sind, habe ich dann auch über eine Stunde an der Kasse gestanden, um meine 15.90 Euro (ein fairer Preis, der sogar die von amazon verlangten 18,90 unterbietet) zu entrichten. Ich hatte ja so ein bißchen gehofft, vielleicht den einen oder anderen netten Menschen hier kennenzulernen, aber die meisten haben dann tatsächlich sofort an Ort und Stelle zu lesen begonnen, sobald sie das Buch in Händen hielten. So kam es dann auch, daß mein Freund und ich es waren, die einer Reporterin Rede und Antwort über unsere Freakigkeit stehen mußten. Es besteht also die Chance, daß man mich morgen in der Bochumer Ausgabe der Ruhr-Nachrichten sehen kann.
Zur Vorbereitung auf das Erscheinen des finalen Bandes hatte ich mir vor über fünf Monaten zu einem recht günstigen Preis die bisherigen sechs Bände auf Englisch gekauft (davor hatte ich alle Bände nur auf Deutsch gelesen), mit dem festen Vorsatz, sie noch einmal zu lesen, um alle wichtigen Ereignisse und versteckten Hinweise frisch im Gedächtnis zu haben. Aufgrund widriger Umstände und meiner mir eigenen Trödeligkeit wurde das auf den letzten Metern noch einmal richtig eng mit der Erfüllung dieses Vorhabens, aber letztlich habe ich es doch beizeiten geschafft (und damit sogar eine Wette gewonnen. HA! Take that, ye, of little faith!)
Über die letzten sechs Wochen meines selbstauferlegten Martyriums habe ich sogar Buch geführt. Die längliche Tabelle, die belegt, warum ich in den letzten Wochen zu wenig gekommen bin, auch nicht zu ausreichend Schlaf, findet sich am Ende dieses Beitrags.
Nach erfolgreichem Anstehen um den sagenumwobenen siebten Harry-Potter-Band und einem kurzen Abstecher zu Subway (*mjam*) war ich dann um Viertel nach zwei zu Hause und nach etwas weniger als 36 Stunden (weil ich gestern noch ein paar andere Sachen vorhatte und zwischendurch zwei mal schlafen mußte) habe ich das Buch nun beendet.
Nun schwebt die ewige Frage im Raum “Well, is it any good?”
Kurz gesagt: Ja, ist es. Rowling gelingt mit diesem siebten Band tatsächlich ein würdiger Abschluß der Saga um “den Jungen der lebte”. Alles fügt sich harmonisch ineinander und wirkt bis ins Letzte gut durchdacht. Besonders schön ist, daß das Nachdenken der Fans belohnt wird. In den letzten Jahren kursierten in Fankreisen die wildesten Theorien zum Status von Snape (gut oder böse?), zu dem von Dumbledore (wirklich tot?), zur Identität und dem Aufenthaltsort der verbleibenden Horkruxe, und vor allem natürlich dazu, welche der Handlungsträger es lebendig bis zum Ende des siebten Buches schaffen und welche vorher das Zeitliche segnen müssen. Einige meiner eigenen Theorien sehen sich nun durch das Buch bestätigt, während andere sich als völlig haltlos erwiesen. Genau wie es sein sollte.
Für mich hat sich das Buch beim Lesen in zwei Teile geteilt. Der erste, etwas längere, hat mir noch einmal all das vor Augen geführt, was mich schon beim erneuten Lesen der letzten Bände immer wieder gestört hat. Wenn ich einen Roman lese, dann brauche ich in der Regel eine Identifikationsfigur, jemanden, auf dessen Seite ich stehe, dessen Meinungen ich (größtenteils) teilen oder wenigstens verstehen kann. So jemanden in den Harry-Potter-Büchern zu finden, ist mir zwischenzeitlich immer wieder sehr schwer gefallen. Denn über kurz oder lang verhalten sich alle wichtigen Handlungsträger auf die eine oder andere Art wie Deppen. Insbesondere Harry stürmt immer wieder ohne Nachzudenken und nur seinem Zorn oder ähnlichen Gefühlen folgend blindlings voran, er ist egoistisch, egozentrisch, rechthaberisch und uneinsichtig. Es fällt mir schwer für so jemanden Partei zu ergreifen. Und auch Ron und Hermi(o)ne gehen mir mit ihren ständigen lächerlichen Streitereien ziemlich auf die Nerven. Ich weiß, daß das für Teenager wohl als normales Verhalten durchgeht, aber trotzdem macht es mir keinen Spaß das zu lesen und ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich den Figuren “Jetzt krieg dich wieder ein” zuschreie.
Dieses nervige Verhalten (das sich überraschenderweise auch bei Dumbledore findet, der oft blindes Vertrauen erwartet, ohne die Hintergründe zu erklären) hemmt meine Lesefreude, zumindest in den Passagen, in denen es besonders massiert zu finden ist. Die erste Hälfte dieses siebten Potter-Bandes ist voll von solchen Passagen und der Grund ist, daß – ähnlich wie in Band fünf, der mir trotz der wundervoll-seltsamen Luna am wenigsten gefallen hat – lange Zeit über kaum etwas passiert. So ist es ja auch im Leben, wenn man darauf wartet, daß etwas passiert und das kommt und kommt nicht, wird man ungehalten, nervös und reizbar. Und so reagieren eben auch Rowlings Protagonisten; verständlich, aber trotzdem kein Lesegenuß für mich.
Doch wenn die Handlung ab der Mitte des Buches endlich so richtig ins Rollen kommt und wir unaufhaltsam auf das große Finale zusteuern, legt sich das zum Glück und ab dann hat mir das Buch auch wieder richtig Spaß gemacht. Hier ist es voller spannender Abenteuer, mutiger Heldentaten, abscheulicher Untaten und vor allem immer wieder auch überraschender Wendungen. Und hier kann ich auch wieder verstehen, warum diesen Bücher so ein großer Erfolg beschieden ist, denn das ist wirklich feinste Unterhaltung. Und trotz aller Graustufen ist die Harry-Potter-Saga eben letztlich und endlich doch nichts anderes ein klassisches Beispiel des großen Kampfes Gut gegen Böse, etwas das die Menschen seit jeher tief in ihrem Inneren anzusprechen scheint. Und so ein Kampf gehört, wenn er – wie hier – gut erzählt wird, zu den Geschichten die man in leichten Variationen immer wieder hören kann.
Alles in allem bin ich also zufrieden mit diesem Buch. Es rundet die Geschichte um Harry Potter sehr gelungen ab und Rowling hat mich nicht enttäuscht, wie ich es zwischenzeitlich ein wenig befürchtet hatte.
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