Chomsky war's




Autor: Randy Allen Harris
Titel: The Linguistics Wars
Verlag: Oxford University Press
Erscheinungsjahr: 1993
Umfang: 386 Seiten
Preis: ca. € 33,-




Linguistik, insbesondere generative Grammatik a la Chomsky, mag ja manchmal geradezu staubtrocken erscheinen, doch natürlich wird auch Linguistik von Menschen gemacht. Und daher gibt es auch hier eine Unmenge an interessanten, amüsanten oder sonstwie lesenswerten Anekdoten. Randy Harris hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese der breiten Öffentlichkeit (soweit die breite Öffentlichkeit derart spezielle Bücher liest) zugänglich zu machen. Speziell geht es um die titelgebenen Linguistik-Kriege in den Siebzigern, als sich eine Gruppe um Postal, Lakoff, Ross und McCawley von der gängigen Art Linguistik zu betreiben abwandte. Die gängige Art war natürlich zu der damaligen Zeit Chomskys Art, die Version der Transformationsgrammatik, die als Standard-Theorie bekannt ist. Lakoff und Co. war das zu syntaxlastig und sie begannen den Schwerpunkt auf die Semantik zu legen. Daraus resultierte eine sehr einflußreiche Strömung, die damals als generative Semantik Furore machte.

Harris holt sehr weit aus und beginnt mit einer kompletten, wenn auch recht knappen, Geschichte der Sprachwissenschaft. Aber schon im dritten Kapitel ist er bei Chomsky angelangt und hier wird es richtig interessant. Es macht Spaß zuzusehen, wie Chomsky mit seiner ersten großen Arbeit die Linguistik der letzen Jahrzehnte deklassiert und wie er und seine Mitstreiter diese Überlegenheit ihrer Theorie auch immer wieder auskosten. Da ist nichts von der großen, glücklichen Gemeinde der Wissenschaften zu spüren. Ähnlich kompromißlos geht es dann auch einige Jahre (und Kapitel) später zu, wenn solche beeindruckenden Sätze fallen wie dieser von Lakoff: "Chomsky's shifting definitions of performance provide him with a rug big enough to cover the Himalayas."

Hieran kann man auch gleich mehrere Charakteristika des Buchs sehen: 1) Es ist auf Englisch und eine deutsche Ausgabe halte ich angesichts des Nischenthemas für äußerst unwahrscheinlich.
2) Es ist wie ein wissenschaftliches (linguistisches, um genau zu sein) Werk geschrieben, d.h. es wird reichlich, ausführlich und genau zitiert, es gibt ca. 50 Seiten Endnoten und eine umfangreiche Bibliographie mit Quellenangaben (annähernd 40 Seiten).
Das Buch ist aber außerdem 3) in einem sehr lockeren Stil geschrieben und man kommt an manchen Stellen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus. Man muß hierzu allerdings anmerken, daß man schon ein gewisses Faible für und Hintergrundwissen von Linguistik mitbringen muß, um so viel Spaß an diesem Buch zu haben. Es ist einfach viel unterhaltsamer, wenn man schon einmal Texte von den betreffenden Personen gelesen hat und einen ungefähren Überblick über die wichtigsten Theorien hat. Harris versucht zwar, das Formal-linguistische möglichst gering zu halten, aber Nicht-Linguisten könnten sich von einigen Strukturbäumen durchaus abgeschreckt fühlen, auch wenn natürlich oft relativierende Sätze wie der folgende eingefügt werden: "It is important to note that [the structure]...is the serious proposal of two very good... linguists. Lakoff and Ross realized it looked pretty silly. Ross had a ceiling-to-floor mobile of it hanging in his office."

Jeder, der sich für Linguistik oder Wissenschaftsgeschichte interessiert, dürfte seine helle Freude an diesem Buch haben. Man muß allerdings damit rechnen, daß einige Illusionen bezüglich des Umgangs von Linguisten untereinander zerstört werden könnten. Zum Abschluß noch ein Zitat, diesmal von James McCawley: "May 27, 1969: George Lakoff discovers the global rule. Supermarkets in Cambridge, Mass., are struck by frenzied buying of canned goods." (entry in McCawley's "Dates in the Month of May That Are of Interest to Linguists")


[Kreetrapper - 25.11.2003]

Diese Rezension wurde zuerst in der Gezeit Nr.11 im Dezember 2003 veröffentlicht. Die Version von Blutiges Gemetzel wurde in der Zwischenzeit vom Autor leicht überarbeitet.